ZURÜCK, DORT WO SIE HINGEHÖREN....

Autor: Willie Smits, April 2018

Während ich hier in Jakarta auf mein nächstes Tierschutz- und Koordinationsmeeting warte, schaue ich auf meine Wunde auf meinem Arm, aus der unschöne Dinge quellen. Irgendwie hatte ich es während unserer letzten Freilassung von Joy,  Molly und Bembi geschafft, an dem hochgiftigen Rengas-Baum anzustreifen. Ein einziges Blatt reichte aus, um für Wochen an Juckreiz und Schmerzen zu leiden, während sich die Haut ablöst. Dieser unschöne Anblick lässt mich jedoch zurückdenken an dieses wunderschöne Erlebnis, die drei Orang Utans wieder zurück in ihren Regenwald, hoch hinauf in die Baumkronen zu bringen, am Dienstag, den 19. April 2018.

Ursprünglich war es unser Ziel, als wir die erste Waldschule ca. 60km südlich von Sintang errichteten, die Orang Utans in den Saran Bergen freizulassen. Dieser steile Berg ist immer noch dichter Dschungel, wo sich früher noch viele Orang Utans tummelten. Heute jedoch sind sie fast alle Jägern zum Opfer gefallen. Gemeinsam mit der Masarang Foundation und dem Sintang Orang Utan Center haben wir ein Programm geschaffen, das die Bevölkerung ihren Wald um und auf dem Saran Berg schützen sollte. Sie sollten dort die Zuckerpalmen und die Illipe Nüsse ernten und dadurch ihr Einkommen bestellen können. Leider jedoch haben Palmölfirmen erfolgreich Menschen hier eingeschleust, die die Eingeborenen beeinflussen, und so verlieren sie weiterhin immer mehr Land. Es ist nicht mehr sicher, hier in diesem Gebiet Orang Utans freizulassen. 

Zur Zeit sind wir in Verhandlung mit dem "Bupati", dem Bezirksleiter eines mehr als 10 Millionen Hektar Gebiets in Sintang, um den Saran Wald zu schützen und die Trinkwasser-Versorgung für die Bevölkerung aufrecht erhalten zu können. Das Meeting soll am 6. Juli stattfinden..

Die Stadt Sintang liegt dort, wo die zwei weltweit am schlimmsten verunreinigten Flüsse zusammenlaufen: der Melawi und der Kapuas Fluss.  Illegale Goldminen, Palmölplantagen und Abholzung zerstören hier die gesamte Umwelt. Die Stadt, eine ehemalige chinesische Handels"metropole" ist ebenfalls umgeben von Plantagen und Goldminen, so gibt es keine sichere Quelle mehr für sauberes Trinkwasser. 

Erst wenn die Regierung sicherstellen kann, dass Trinkwasser zur Verfügung steht, in dem sie den Saran Wald wirkungsvoll schützt, können wir beginnen, hier Orang Utans freizulassen. Bis dahin haben wir eine Alternative im Betung Kerihun Nationalpark gefunden. Dudung, unser Projektmanager, traf alle offiziellen Vorbereitungen und so konnten wir letzte Woche die zweite Gruppe Orang Utans in die Freiheit entlassen - mitten in ursprünglichen Regenwald. 

Der Generaldirektor für Umweltschutz, Wiratno, ein langjähriger Freund von mir, kam zu uns, um der Zeremonie beizuwohnen. Wir verbanden das Ereignis mit einem Workshop zum Thema "Was passiert mit Orang Utans, die man nicht mehr auswildern kann".

 

 

 

Die drei Orang Utans wurden schließlich über ziemlich schlechte Straßen von der Waldschule in Tembak in die Sintang Klinik gebracht, wo sie zwei Tage hindurch gründlich untersucht wurden. Am Dienstag, den 17. April 2018, bekamen Joy, Molly und Bembi grünes Licht für ihre lange Reise. 

Am Mittwoch luden wir die Transportkäfige auf die Boote am Kapuas Fluss, hinein in das Herz von Borneo. Es waren fünf Boote, viele offizielle Vertreter und Wissenschafter, einige fremde Gäste sowie das Belgische Fernsehen dabei, die uns auf unserer Reise begleiteten.

Vorbei an vielen Sandbänken, durch Stromschnellen, die von den Bootsführern wunderbar gemeistert wurden, ging es schließlich hinein in die unberührte Natur des Regenwaldes des Nationalparks. Keine Spur mehr von niedergebrannten Bäumen, nur majestätische Bäume, die über dem Wasser hingen. Bedeckt durch Farne, riesengroße Orchideen und riesen Pandans (Schraubenpalmen). 

Manche kurze Duftwolken erinnerten mich an meine ersten Erfahrungen im Regenwald, mehr als 40 Jahre vergangen, in Ost-Kalimantan, auf der anderen Seite von Borneo. Als die Bootsmotoren stoppten, war das Konzert der Zikaden und Vögel perfekt, um meine Erinnerung in vollem Bild vor mir zu sehen. 

Weitere sechs Stunden später kamen wir endlich im Basislager an, wo die Orang Utans in größere Käfige umgesiedelt wurden, wo sie wieder interagieren konnten. Dort waren auch wieder viele Blätter und Futter, was sie sehr rasch den Stress des Transports vergessen ließ. 

Joy, die älteste unter ihnen, hielt sich die gesamte lange Fahrt lang selbst umarmt. Dieses Zeichen von Stress zeigte sie auch, als wir sie vor Jahren von dieser Kette retteten, wo sie in der prallen Sonne angebunden war. Es war schrecklich zu sehen, wie sie plötzlich wieder herumschlug im Käfig, wie sie sich wieder nach hinten fallen ließ, genau so, wie sie es vor Jahren schon gezeigt hatte.

Aber dann, in dem großen Käfig, gemeinsam mit ihren Freunden, war sie wieder völlig entspannt.

Ich wachte mitten in der Nacht auf, um nach den Orang Utans zu sehen, und das wunderschöne leuchtende Grün der Pilze auf dem Waldboden zu bestaunen. Ich nahm ein paar von ihnen mit auf mein Zimmer im Basislager, wo es stockfinster war.

Joy war die einzige, die sich im Schlaf hin- und her drehte, während Molly und Bembi sofort tief eingeschlafen waren. Erinnern sie sich an die Zikaden, die auch so laut waren, als man ihre Mütter erschoss?

Am nächsten Morgen kamen drei Dayak Frauen, um für eine große Gruppe Menschen Essen zuzubereiten, in einer Küche, nicht größer als 2x2m. Die Hitze war unerträglich, aber sie bereiteten ein großartiges Menü für uns alle. 

Dann brach das Team auf, das für die nächsten Monate die Orang Utans beobachten wird. Sie werden unter den Baumkronen sein, jeden Tag, und jede Bewegung, jede Veränderung und ihr gesamtes Verhalten dokumentieren.  Erst nach Sonnenuntergang können sie wieder zurück in ihre einfachen Zelte. Sie werden sich abwechseln, was auch notwendig ist. Alle 30 Minuten wird ein Signal gesendet, wo sich die Tiere aufhalten, alle 20 Minuten werden Daten aufgezeichnet über die Aktivitäten der Orang Utans. Die Dayaks sind an den Regenwald gewöhnt, also macht ihnen der Regen oder die steilen Hänge nichts aus. 

Ein weiteres Team brach auf, flussaufwärts: die Gruppe der Wissenschafter, geführt von Dr. Suci Utami, der die Freilassung beaufsichtigte und den Orang Utans folgte kurz nach ihrer Freilassung. Das dritte Team waren unsere Sponsoren von OrangUtanRescue Netherlands und von Masarang International, ebenfalls aus den Niederlanden. Zuletzt war das noch das Team des belgischen Fernsehens, die die Freilassung filmten und mit mir im Boot saßen, wo Bembi untergebracht war. Das letzte Mal, wo eine so große Gruppe unterwegs war, war im Meratus Wald, wo wir eine Gruppe von 30 Orang Utans freigelassen hatten, die größte, die jemals freigelassen wurde, glaube ich. Ich denke, diese drei Damen hier bekommen eine Menge Aufmerksamkeit. Aber sie haben ihre liebsten Pfleger mit, was ihren Stress am meisten lindern sollte.

Mit Bembi gemeinsam den Fluss aufwärts zu fahren, war so wunderbar. Zu beobachten, wie sie die Bäume betrachtet, so als wüsste sie, dass sie bald dort oben in den Baumkronen leben wird können. 

Johannes Freije, ein privater Sponsor, der die gesamte Aktion gesponsert hatte, inklusive der Boote, begleitete mich und das TV Team. Als wir schießlich ankamen, erwarteten uns ein paar junge, kräftige Dayak Männer, die die Käfige auf den steilen Berg hinauftragen sollten. Dort, wo die Bäume, bis zu 50m hoch, den Berg bedecken...

Die Steigung betrug in etwa 40%, was sich nach 200m so anfühlte, als wären wir einen Marathon gelaufen.

Und dann schließlich der Moment. Der Moment, in dem die Käfige geöffnet werden,  und Bembi, Molly und Joy zeigen sollten, was sie in Sintang gelernt haben. Die Sonne, die durch die Blätter schien, gab diesem Moment etwas magisches. Die erste, die die Freiheit erkundete, war Molly. Sie rannte nicht sofort hinaus und hinauf in die Bäume. Sie kam zuerst zu uns und es schien, als wollte sie uns vertreiben. Aber dann fand sie ein paar Früchte und war damit beschäftigt. Bembi nahm sich Zeit, und genoss vorerst ein paar Rattan Früchte. Joy war die letzte, deren Türe nach oben aufgeschoben wurde und sie kletterte sofort hoch, 40m in die Kronen.

Und da begann sie zu schreien!! Aufgeregte, freudvolle Schreie! Es dauerte 30 Minuten lang.

Dann kam sie noch mal herunter, um sich ein paar der Früchte zu holen. Innerhalb der ersten Stunde konnte ich beobachten, dass sie Damen 15 verschiedene Futterarten aufgespürt hatten. Sie taten sich auch an Termitennestern gütlich, und man konnte sie schmatzen hören.  Joy war möglicherweise ein bisschen seekrank, denn sie nahm sich als erstes ein bisschen Kreide aus dem Boden. Die soll angeblich helfen, Magenschmerzen zu lindern. Bei all ihren Fähigkeiten, herumzutollen, zu klettern, fällt es mir schwer zu glauben, dass sie auch seekrank werden können. 

Nach einigen Stunden Beobachtung und Dokumentation war es für uns wieder Zeit, ins Camp zurückzukehren. Ich habe mehr als 500 Orang Utans dabei beobachtet, wie sie zurück in den Regenwald gebracht werden, aber jedesmal auf´s Neue erfüllt mich dieser Augenblick mit so viel Frieden. Die harte Arbeit, diese wundervollen Geschöpfe ihren "Eigentümern" wegzunehmen, gesund zu pflegen, ihnen das Leben im Regenwald zu lehren, ihnen dabei zuzusehen, wie sie Freundschaften knüpfen, und dann dieser Moment... das Sonnenlicht in ihren langen roten Haaren, oben in den Bäumen und wir haben ihnen eine zweite Chance ermöglicht, zu überleben.... 

Aber wir müssen realistisch bleiben, denn ja, diese Tiere haben ihre Freiheit wiedergefunden, aber zur selben Zeit gibt es immer noch Orang Utan Mütter, die getötet werden, ihres Fleisches wegen, oder ihrer Babies, die dann als Haustiere verkauft werden. Um dies zu beenden, müssen wir nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern auch langfristige Lösungen finden mit den Bewohnern hier. Das ist, was wir mit unserer Masarang Foundation und dem Orang Utan Rescue Team tun. Zu zeigen, dass der Wald den Menschen mehr Nachhaltigkeit bringt als die Modernisierung. Ich bin überzeugt, dass wir diese Werte zeigen und Hoffnung geben auf eine langfristige Lösung.

Danke für die Unterstützung, die uns diesen Einsatz ermöglicht!

Willie Smits

 

PS: nun, Mitte Juni, geht es den Tieren immer noch sehr gut. Molly und Bembi haben mittlerweile auch schon Juvi, aus der ersten Freilassung, getroffen und hatten gemeinsam Spaß.

®Alle Fotos: Willie Smits, Masarang Foundation und Orang Utan Rescue Netherlands, Hugo Wortel
Text frei übersetzt von: https://www.orangutanrescue.nl/bring-them-back-where-they-belong/